Freitag, 25. Juli 2014


"Wo der Friede Türen öffnet" - Osnabrücker Rathaus



Die Türklinke von Fritz Szalinski (Informationen zu Fritz Szalinski), welche am Osnabrücker Rathaus angebraucht ist, zeigt eine aus Bronze gegossene, plastisch ausgearbeitete Taube, welche sich auf dem Griff mit dem Schriftzug „FRIEDE 1648“ (Was ist der westfälische Friede?) befindet. Fritz Szalinski wurde am 8. Oktober 1905 in Osnabrück Haste als Sohn von Friedrich Szalinski und Amalie Steinbach geboren. Sein Vater wurde politisch verfolgt, 1944 verhaftet und kam am 15.Januar 1945 ins Konzentrationslager Neuengamme. 2008 wurde für ihn ein Stolperstein in Osnabrück aufgestellt. Fritz Szalinski selbst war Bildhauer, seine Materialien reichen von Holz, Stein Metall über Keramik bis hin zu Bronze und Ton. Seine Ausbildungen zum Holzbildhauer und an der Kunstakademie Königsberg schloss er mit Auszeichnung ab. 1929 gründeten er und seine Frau den "Bund Bildender Künstler". Die Skulptur "Friede 1648" wurde im Jahr 1963 in Osnabrück angebracht und ist 25cm hoch und 28cm breit. Das Haupt der Taube ist im Profil von rechts zu sehen, ihr großes, rundes Auge scheint den Betrachter anzublicken. Des Weiteren ist ihr Kopf geneigt und ihr Schnabel berührt fast ihren voluminösen, langen Hals. Ihre Flügel sind am Körper angelehnt, auf der  Brust zeigen sich einige Kreise, welche die Struktur eines Federkleides suggerieren. Ihre Krallen befinden sich auf dem Griff  über den Buchstaben F und R. Ihr Federkleid endet kurz über dem Schlüsselloch und somit unter dem Griff.
Vor dem Schriftzug befindet sich das Wappen Osnabrücks, welches ein  Rad darstellt. 


Für uns erfüllt die „Türklinke Friede“ drei Funktionen.
Erstens ist sie ein Gebrauchsgegenstand, sie öffnet die Tür zum Rathaus.
Zweitens kann sie als dekorativ aufgebaute Skulptur gesehen werden. Ihre Oberfläche und Materialität lädt zum Berühren ein, durch den starken Kontrast der Holztür zur gold schimmernden Plastik fällt sie dem Betrachter schon von weitem ins Auge.
Durch die Ähnlichkeit der Körperform der Taube und der Verzierungen an der Tür ergibt sich ein harmonisches Gesamtbild.
Drittens die Funktion als Denkmal an den Westfälischen Frieden von Osnabrück und Münster im Jahr 1648. Der unter anderem hier im Friedenssaal beschlossen wurde.


Foto von Jan - Kristoph B.
Als Seminargruppe bekamen wir die Erlaubnis, den Friedenssaal mit originaler Inneneinrichtung zu besuchen, da diese vor den Bombenangriffen am 13. September 1944 sicher eingelagert wurde. Im Friedenssaal sind die Portraits von 42 europäischen Gesandten des Friedenkongresses und drei Portraits der Herrscher der damaligen Kriegsparteien zu sehen, welche aus der schwedischen Königin Christina, des französischen Königs Ludwig XIV und dem deutschen Kaiser Ferdinand III bestehen.

Es gibt zwei Möglichkeiten die „Türklinke Friede“ zu benutzen:
 Entweder man greift nach dem Türgriff, berührt also den Frieden und trägt ihn mit ins Rathaus,
oder man nimmt den Hals der Taube und drückt ihn zur Seite. Uns stellt sich nun die Frage: Bricht man damit der Taube das Genick? Ist es eine gute Umsetzung zum Gedanken an den Frieden 1648, wenn man das Symbol des Friedens so leicht erlegen kann?
Wir könnten uns als Erklärung vorstellen, dass Fritz Szalinski beim Entwurf der Klinke nicht an die zwei Möglichkeiten des Öffnens gedacht hat. Näherliegend ist aber die Vermutung, dass man dem Frieden zwar an die Gurgel geht, dieser dem Angriff aber standhält. Außerdem legte er wert auf die leichte Verständlichkeit der Symbolik, indem er die Inhalte unverschlüsselt preisgibt. Die Taube als bildhaften Ausdruck für Frieden ist für Jedermann verständlich. Dies spiegelt eins der Gestaltungsprinzipien Szalinskis wieder: er setzt seine Kunst parallel zur Natur, lässt sich von dieser inspirieren und zeigt die Beobachtungen in neuen Kontexte. 

Ein weiteres Element der Skulptur ist das Osnabrücker Rad, dessen Bewegung durch das Drücken der Türklinke ausgelöst wird. Das verleiht der Skulptur eine gewisse Dynamik. Jeder der das Rathaus betritt und somit das Rad dreht wird automatisch an den Frieden 1648 erinnert. Der Frieden öffnet die Türen für Jedermann.

Der Schriftzug „Friede 1648“ erinnert an das Ende des 30järigen Krieges, dessen Geschichte im Folgenden kurz erläutert wird:
In der Zeit von 1618 bis 1648 herrschten viele Teilkriege, die zwischen Katholiken und Protestanten ausgetragen wurden. Es ging vor allem um die Vormachtstellung in Deutschland und Europa. Der Krieg forderte mehrere Millionen Opfer. Im Osnabrücker Rathaus tagte ein Teil der Delegation der Kriegsparteien des 30jährigen Krieges. Die Gesandten des Königreiches Schweden, sowie die des deutschen Kaisers. Im Rathaus von Münster wurde zur selben Zeit durch die kaiserlichen Gesandten und diejenigen Frankreichs Verhandlungen über einen Friedensausschuss geführt, welche am 24. Oktober 1648 mit dem „Westfälischen Frieden“ endeten. Jetzt galt wieder die Regel, dass der Herrscher eines Gebiets die Religion bestimmen darf. Dies wurde bereits fast 100 Jahre zuvor im Augsburger Religionsfrieden festgelegt. 

Von Lena Dierker und Marleen Schulze Middendorf für Erinnern und Vergessen


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